Interview Jean-Philipp Schneider

Der Blick hinter die Sterne

Interview mit Jean-Philipp Schneider

Für Spitzenkoch Jean Phillip Schneider begann alles im heimischen Restaurant. Dort kam er schon als Kind auf den Geschmack, Koch zu werden. Zunächst im Familienbetrieb führte ihn sein Weg zu erst zu Ingo Holland und dann hinaus in die große Welt der Top-Gastroadressen.


Heute zählt er zu den renommiertesten Köchen Deutschlands. Selbst mehrfach ausgezeichnet, prägt er heute die Küche des Lafleur mit zwei Michelin-Sternen. Und begeistert Gäste mit kreativen Menüs, die Tradition, Präzision und Innovation vereinen. In diesem Interview erzählt er von seinen prägenden Stationen weltweit, den Geheimnissen perfekter Gerichte, seiner Philosophie in Sachen Teamführung, Nachhaltigkeit und Genuss – und verrät sogar, welche kulinarische „Sünde“ er sich hin und wieder gönnt.

Jean-Philipp Schneider beim Anrichten eines Gerichts

Herr Schneider, wie kamen Sie zur Gastronomie und wo nahm der Weg die Abzweigung Richtung Sterneküche?


Alles begann – im wahrsten Sinne – in einem großen Topf: Als Kind saß ich oft in einem mit Decken ausgelegten Schmortopf auf dem Küchenpass meines Vaters, naschte Obst vom Rand und beobachtete fasziniert die Köche.
Als Jugendlicher half ich im Familienbetrieb mit – in der Küche, bei Caterings oder auf dem Weihnachtsmarkt. Die Leidenschaft fürs Kochen entdeckte ich jedoch erst während meiner Lehre bei Ingo Holland, wofür ich bis heute dankbar bin. Unvergesslich blieben mir ein vier Kilo schwerer, im Ganzen gegarter Wildfang-Steinbutt, ein Himbeer-Millefeuille mit Champagnereis und ein geselliger Abend mit Château Cheval Blanc –
Erlebnisse, die mich zum Produktfanatiker machten. Schon immer hat es mich erfüllt, Menschen mit guter Esskultur glücklich zu machen.

Sie haben in renommierten Küchen weltweit gearbeitet – welche Stationen haben Sie besonders geprägt, sowohl fachlich als auch persönlich? 

Jede Station hat mir etwas mitgegeben: In meiner Lehrzeit bei Ingo Holland lernte ich die Welt der Gewürze kennen. Im Landhaus Feckl prägte mich Franz Feckl als Vorbild in Mitarbeiterführung. Im Schlosshotel Lerbach erlebte ich unter Nils Henkel erstmals die Präzision einer Drei-Sterne-Küche – konzentriertes Arbeiten bis zur Perfektion. In Spanien bei den Roca-Brüdern tauchte ich in die Welt der Molekularküche ein und erlebte zugleich Kultur und Sprache hautnah. Alle meine Chefs verstanden es, zu fordern und zu fördern – denn ein Chef ist immer nur so stark wie sein Team.

Was motiviert Sie, Tag für Tag in der Küche zu stehen? Woher nehmen Sie Ihre Inspiration, und wie gelingt es Ihnen, die Leidenschaft für das Kochen auch nach Jahren nicht zu verlieren?

Ich liebe meinen Beruf. Es fasziniert mich, aus hochwertigen Grundprodukten sowohl einfache als auch komplexe Gerichte zu kreieren, die Gäste begeistern und Wohlgefühl schenken. Die Vielfalt an Produkten und die sich ständig weiterentwickelnden Kochtechniken sorgen dafür, dass der Alltag in der Küche nie langweilig wird. Inspiration schöpfe ich aus über 20 Jahren Erfahrung und aus dem ständigen Blick über den Tellerrand.

Der erste Michelin-Stern – ein Höhepunkt in jeder Kochkarriere. Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Sie Ihren ersten Stern erhielten? Was ging Ihnen durch den Kopf?

Das war ein unglaublich erfüllender Moment! Im Gourmet-Restaurant „1622“ in Miltenberg hatten wir lange darauf hingearbeitet. Ich war dankbar, dass die Teamleistung so gewürdigt wurde – wir haben natürlich ausgiebig gefeiert und viele Glückwünsche aus der Branche erhalten. Gleichzeitig war es ein Moment des Stolzes, zu den besten Köchen Deutschlands zu gehören.

Was unterscheidet einen Koch von einem Spitzenkoch? Ist es die Technik, die Kreativität oder vielleicht doch die Liebe zum Detail? 

Ein Spitzenkoch vereint fundiertes Fachwissen über Produkte, einen geschulten Gaumen, Kreativität, Leidenschaft und das stetige Streben nach Perfektion. Arbeitsabläufe in einer Spitzenküche müssen unter hohem Zeitdruck perfekt ineinandergreifen – eine Präzision, die große Parallelen zur Automobilwelt aufweist.

In der Sterne-Küche zählt jedes Detail – wie definieren Sie für sich selbst Perfektion auf dem Teller?

Für mich beginnt Perfektion mit dem Geschmack: das Zusammenspiel von Aromen, Würze, Texturen und Temperaturen. Dann folgt die handwerkliche Präzision und Komplexität – Anzahl der Komponenten, Techniken, Ausführung. Erst an dritter Stelle stehen Präsentation und Anrichteweise. Ein optisch perfektes Gericht, das geschmacklich enttäuscht, ist für mich kein Genuss.

Was macht für Sie ein gutes Team in der Küche aus? Wie schaffen Sie es, alle Mitglieder auf dasselbe hohe Niveau zu bringen?
Ein gutes Team lebt von gegenseitiger Wertschätzung, offener Kommunikation und echter
Begeisterung für die Arbeit. Als Küchenchef gilt es, die individuellen Stärken jedes Einzelnen zu erkennen, optimal einzusetzen und weiterzugeben. Wissen teilen und klar kommunizieren sind dabei die Schlüssel zu konstant hoher Qualität.

Wo sehen Sie Parallelen zwischen Ihrer Arbeit in der Küche und dem Handwerk in einem Autohaus? 
Beide Branchen sind Dienstleistung – Präzision, Teamarbeit und Qualitätsbewusstsein spielen in beiden eine zentrale Rolle. Man kann das Küchenteam mit dem Werkstattteam und den Servicegedanken mit dem Kundenservice eines Autohauses vergleichen. Einstieg, Mittelmaß oder
High-End – Unterschiede gibt es überall, die Prinzipien bleiben ähnlich.


Wie gehen Sie mit dem Druck in der Küche um, besonders wenn es hektisch wird? Und wie wichtig ist es, dass die Kommunikation im Team stimmt?
Druck ist in der Küche normal; meist ist es Zeitdruck. Mit Erfahrung und professioneller Führung bleibt alles beherrschbar. Kommunikation ist entscheidend – nur so lässt sich perfekte Leistung erbringen. Das gilt ebenso im Team eines Autohauses wie in jeder Spitzenküche.

Das Jubiläumsmenu & Genusskultur:

Vorspeise - Geschäftsführer kochen

Sie haben das Jubiläumsmenu für Kunzmann entwickelt. Was hat Sie bei der Kreation dieses Menüs besonders inspiriert?

Ich habe Gerichte ausgewählt, die ich selbst liebe und an freien Tagen auch für meine Familie koche. Wichtig waren zudem Regionalität und Saisonalität – viele Zutaten stammen in bester Qualität vom Wochenmarkt in Aschaffenburg.

Wenn unsere Leser das Jubiläumsmenu zu Hause nachkochen wollen, was dürfen sie auf keinen Fall vergessen? Haben Sie einen ganz speziellen Tipp für ambitionierte Hobbyköche?

Mut zu würzen! Und niemals aufgeben. (lacht)


 

Hauptspeise - Geschäftsführer kochen

Welches Auto fahren Sie selbst, und was verbinden Sie mit der Marke Kunzmann? Hat Ihre persönliche Erfahrung mit Kunzmann Einfluss auf Ihre Sicht auf Qualität und Handwerk?

Ich fahre seit fast zehn Jahren eine C-Klasse T-Modell – ein treuer Wegbegleiter. Die Erfahrung mit Service und Betreuung bei Kunzmann bestätigt für mich, wie wichtig Qualität und Handwerk in allen Bereichen sind

Nachspeise - Geschäftsführer kochen

Wer kocht bei Ihnen zu Hause? Steht auch Ihre Frau mal hinter den Töpfen, oder wird in Ihrer Familie ausschließlich auf Sterne-Niveau gekocht? Oder darf es auch mal der Lieferservice sein?

Zu 90 % kocht meine Frau – und das sehr gut. Ich koche gelegentlich, dann eher bodenständig. Wir nutzen nicht die Ausstattung oder Produkte einer Sterneküche, und es darf auch mal eine selbstgemachte Pizza sein. Gutes Essen ist für uns auch ein Kulturgut, und wir möchten unseren Kindern die Vielfalt der Gastronomie näherbringen.

Und zu unseren 3 Geschäftsführern – wie zufrieden sind Sie mit der Küchenleistung unserer drei Geschäftsführer, Herr Diehm, Herr Stößel und Herr Kettenmann? Hat das Team am Herd „Sterne-Potenzial“?
Die drei Herren haben sich sehr engagiert eingebracht, so dass am Ende ein köstliches Menü entstand. Es zeigte sich schnell, dass einige von ihnen auch zu Hause gerne ambitioniert kochen. (schmunzelt)

Viele Menschen sehen Kochen als Kunstform. Sehen Sie sich selbst als Künstler, der mit den Zutaten arbeitet, oder ist Kochen für Sie eher Handwerk? Was ist für Sie der entscheidende Unterschied zwischen beiden?
Kochen ist für mich in erster Linie Handwerk. Erst wenn perfekte Technik auf Kreativität und kunstvolle Präsentation trifft, kann daraus ein Gericht entstehen, das ich als Kunstwerk bezeichnen würde. Die Basis bleibt immer das Handwerk.

Geschmack ist natürlich subjektiv – aber bei Ihnen in der Küche müssen sich Gäste auf absolute Qualität verlassen können. Wie schaffen Sie es, eine konstant hohe Qualität zu gewährleisten, auch an hektischen Tagen oder unter Druck? 
Mit Expertise lässt sich Qualität objektiv prüfen. Executive Küchenchef Andreas Krolik kontrolliert vor jedem Service jede Komponente, sodass immer mindestens zwei Personen abschmecken. So stellen wir sicher, dass auch an hektischen Tagen alles perfekt ist.

Veränderungen in der Gastronomie

Essen wird zunehmend zu einer Erlebniswelt. Was ist der Schlüssel zu einem
unvergesslichen kulinarischen Erlebnis?
Standort, Interieur, Tischkultur, Getränkeauswahl und Service spielen eine große Rolle. Entscheidend ist die Gastgeberkultur – echte Herzlichkeit macht den Unterschied. Am Ende trägt auch der Gast selbst bei, etwa wenn ein Essen mit einem besonderen Anlass wie Geburtstag oder Hochzeitstag verbunden wird.

 

Nachhaltigkeit und ethischer Konsum sind große Themen in der heutigen Gastronomie. Wie integrieren Sie diese Aspekte in Ihre Arbeit? Haben Sie bereits bestimmte Konzepte oder Projekte, bei denen Regionalität und Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle spielen?

Im Lafleur und der Tiger & Palmen-Gruppe von Robert Mangold werden Nachhaltigkeit und ethischer Konsum aktiv gelebt. Die Küche bietet sowohl ein klassisches Gourmet-Menü als auch ein rein veganes Menü in sieben Gängen – und das bereits seit 2014.

Welche Gemeinsamkeiten sehen Sie zwischen den Werten von Kunzmann und Ihrer Arbeit als Sternekoch?
Viele Werte, Ansätze und Prozesse sind identisch: Präzision, Detailverliebtheit und das Streben nach höchster Qualität.

 

Gibt es Parallelen zwischen der Präzision eines Autos und einem perfekt zubereiteten Gericht?
Bei einem Auto müssen Motor, Getriebe, Fahrwerk und Elektronik perfekt zusammenarbeiten – für Leistung und Fahrerlebnis. Genauso müssen in der Sterneküche Zutaten, Garmethoden, Würzung und Anrichteweise präzise aufeinander abgestimmt sein, um ein perfektes Geschmackserlebnis zu schaffen.

Wie balancieren Sie Innovation und Tradition in der Küche?
Traditionelle Techniken und klassische Rezepte bilden das Fundament. Auf dieser Basis lässt sich Neues entwickeln. Für mich schließen sich Bewahrung der Klassik und kreative Weiterentwicklung keineswegs aus – sie ergänzen sich.


Gibt es ein kulinarisches Geheimnis, das Sie teilen würden?
Geduld und Ruhe sind entscheidend – in der Ruhe liegt die Kraft. Viele Produkte brauchen Zeit: Saucen, die mehrfach reduziert werden, Teige, die langsam gehen, und Fleisch, das sanft bei niedriger Temperatur gegart wird, um perfekte Ergebnisse zu erzielen.

Jean-Philipp Schneider am kochen

Zum Abschluss, Herr Schneider – jeder Spitzenkoch hat ja auch mal seine kleinen kulinarischen Schwächen. Gibt es ein Gericht oder eine Spezialität, die Sie heimlich lieben, obwohl sie vielleicht nicht gerade dem typischen Anspruch entsprechen. Ein „GuiltyPleasure“? Sei es ein Burger aus einem Fastfood-Restaurant oder…? ;)

Ich liebe klassisches Schweizer Käsefondue. Es weckt Erinnerungen an Skiurlaube meiner Jugend. Früher habe ich es sogar im Sommer zubereitet, heute genieße ich es hauptsächlich in der kalten Jahreszeit.

Vielen Dank für Ihre Zeit und die wertvollen Einblicke hinter die Kulissen Ihrer Kochkunst!

Jean-Philipp Schneider auf dem Wochenmarkt in Aschaffenburg
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